Die Skulptur am Haupteingang
Wenn man sich dem Haupteingang des Amtsgerichtsgebäudes nähert, fällt der Blick eines jeden Besuchers zwangsläufig auf die einige Meter vor dem Gebäude aufgestellte überlebensgroße Skulptur eines nackten Mannes, der das Gericht gerade zu verlassen scheint. Was hat es mit dieser Skulptur auf sich?
1984 gab es einen Architektenwettbewerb für die Planung eines neuen Gerichtsgebäudes in Wolfsburg. Parallel dazu hat das Staatshochbauamt auch einen Wettbewerb für Kunst am Bau ausgeschrieben. Es beteiligten sich viele und namhafte Künstler. Die für die Auswahl des besten Entwurfs eingesetzte Jury entschied sich für das Modell des bekannten Künstlers Prof. Karl Ulrich Nuss, der seiner Skulptur keinen Namen gegeben hat.
Die unbekleidete und unschwer als Mann zu identifizierende Person zeigt keinen Modellathleten, vielmehr einen hageren unscheinbaren Mann mittleren Alters. Es lässt sich erahnen, dass diese Skulptur in der breiten Bevölkerung schnell zu lockeren und gelegentlich anzüglichen Sprüchen ermunterte. Am häufigsten war zu hören, dass dieser Mann nicht vor einem Gerichtsgebäude, sondern vor einem Finanzamt hätte aufgestellt werden sollen. Die Figur stehe nämlich für einen der vielen Menschen, denen der Fiskus "auch noch das letzte Hemd ausgezogen" habe.
Die zunächst vorhandene Befürchtung, dass unser "nackter Mann" die Graffitti-Szene inspirieren könnte, hat sich nicht bewahrheitet. Abgesehen davon, dass die Skulptur einmal in lilafarbene Tücher eingehüllt, ihr ein anderes Mal eine Frauenperücke aufgesetzt und ein BH angezogen und ein weiteres Mal ein Kondom übergezogen wurde, wird ihr mit Anstand begegnet.
Was aber will der Künstler wirklich zum Ausdruck bringen?
Ein Durchschnittsmensch verlässt das Gericht. Wie jeder Mensch ist er nackt zur Welt gekommen. Die fehlende Bekleidung lässt Schlüsse auf Armut oder Reichtum nicht zu. Unabhängig davon, ob diese Person das Gericht als Kläger oder Beklagter, als Antragsteller oder Verurteilter verlässt, kann sie dies aufrecht und erhobenen Hauptes tun. Ihr ist mit Respekt und Achtung begegnet worden, Gerechtigkeit widerfahren und insgesamt ihre menschliche Würde nicht tangiert worden.