Geschichte
Von den Amtsgerichten Fallersleben, Vorsfelde und Oebisfelde zum drittgrößten Gericht des OLG-Bezirks
Das Amtsgericht Wolfsburg ist das jüngste Gericht im OLG-Bezirk Braunschweig. Seine Gründungsurkunde findet im sich im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt 1955 Seite 11 als "Gesetz über die Errichtung eines Amtsgerichts in Wolfsburg".
Allerdings markiert diese Gründung nicht den Anfang, sondern das vorläufige Ende einer Jahrhunderte langen Entwicklung der Rechtskultur im Raum um das mittelalterliche Schloss Wolfsburg. Das neue Gericht knüpft dabei in erster Linie an eine rechtspolitische Wende an, die vor mehr als 150 Jahren mit der Errichtung der neuen Amtsgerichte Fallersleben und Vorsfelde, aber auch Hankensbüttel sowie Oebisfelde einsetzte.
Diese Gerichte gehörten zu drei verschiedenen Ländern in Deutschland, nämlich Preußen, Braunschweig und Hannover.
Für die braunschweigischen Gebiete war das Amtsgericht Vorsfelde, für die hannoverschen das Gericht in Fallersleben, für die preußischen Exklaven Heßlingen mit Alt-Wolfsburg und Hehlingen schließlich das Amtsgericht Oebisfelde zuständig. Damit bieten die Territorialverhältnisse im damaligen Raum Wolfsburg das typische Bild des deutschen Flickenteppichs.
Ausgangspunkt für die Gründung der Amtsgerichte ist letztlich die französische Revolution mit ihrer Forderung nach Trennung von rechtsprechender und vollziehender Gewalt (Verwaltung). Deren Umsetzung in der französischen Verfassung spiegelt sich in Deutschland erst sehr viel später in Art. 9 Ziff. 5 des Gesetzes vom 27.12.1848 des Nationalkonventes der Paulskirche wider. Wenn auch die bürgerliche Revolution in Deutschland scheitert, hat dieses Gedankengut doch Eingang in die Gesetzgebung der damals mehr oder weniger absolutistischen Staaten Deutschlands Mitte des 19. Jahrhunderts gefunden. Das jedenfalls damals im Vergleich zum Königreich Hannover fortschrittlichere Herzogtum Braunschweig verfügt bereits mit Gesetz vom 21.08.1849 die Errichtung von Amtsgerichten zum 01.07.1850 und damit eines solchen für das Amt Vorsfelde. Das Königreich Hannover folgte mit Gesetz vom 07.08.1852 zum 01.10.1852 für das Amt Fallersleben.
Erster Richter des neuen Gerichtes in Fallersleben wird Georg Friedrich Hermann Schlemm. Er residiert in einem sehr engen und eher kärglichen Fachwerkbau neben dem Schloss Fallersleben. 1932 werden die genannten preußischen Exklaven an den (hannoverschen) Landkreis Gifhorn abgetreten und dem Amtsgericht Fallersleben zugeschlagen. Inzwischen sind die räumlichen Verhältnisse im alten Gerichtsgebäude gänzlich untragbar geworden. Der dringend erforderliche Neubau eines Gerichtsgebäudes gelingt jedoch erst in den Jahren zwischen 1934 und 1936, mutmaßlich unter dem Einfluss des damaligen Reichsjustizministers Kerrl, einem Sohn der Stadt Fallersleben. Das repräsentative Gebäude Am Hofekamp dient heute öffentlichen Belangen der Stadt Wolfsburg.
Demgegenüber residierte das Amtsgericht Vorsfelde von Anbeginn bis zu seinem Ende in dem Gebäude Amtsstraße 35.
Zurück zum Amtsgericht Wolfsburg:
Die territoriale Zuständigkeit umfasste zunächst das Gebiet der neuen Stadt Wolfsburg unter gleichzeitiger Abtrennung aus dem Amtsgerichtsbezirk Fallersleben. Es verblieb bei der Zugehörigkeit zum Landgerichtsbezirk Hildesheim /Oberlandesgericht Celle.
Anfangs fehlte ein eigenes Gerichtsgebäude. Der Dienstbetrieb musste daher vorübergehend behelfsmäßig im 2. Obergeschoss des Geschäftshauses Kleiststraße 1 erfolgen. Ende 1957 war das erste Gerichtsgebäude des Amtsgerichts Wolfsburg an der Pestalozziallee unter tatkräftiger Hilfe der Stadt fertig gestellt. Durch Verordnung vom 09.09.1957 (Nds. GVBl Seite 110) konnte das Gericht förmlich zum 01.12.1957 errichtet werden. Die feierliche Eröffnung erfolgte am 11.01.1958 u.a. im Beisein des Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle, Dr. Bruno Heusinger, zuvor OLG-Präsident in Braunschweig und später Präsident des BGH sowie des Oberbürgermeisters Bransch und des legendären Stadtbaurates Koller.
Erster Direktor des Amtsgerichts Wolfsburg wurde Walther Haack, der das Amt bis 18.11.1963 inne hatte. Haack hatte seine Laufbahn 1936 als Assessor bei dem Amtsgericht Fallersleben begonnen und dort zuletzt das Amt des Amtsgerichtsdirektors bekleidet.
Eine neue Situation für die Gerichtsorganisation entsteht, als durch Gesetz vom 10. Mai 1972 die Orte Fallersleben und Vorsfelde nebst einigen weiteren angrenzenden Gemeinden zu Wolfsburg geschlagen werden. Wohl einmalig in Deutschland hat damit eine Stadt von 130.000 Einwohnern nunmehr drei selbstständige Amtsgerichte:
Das Amtsgericht Vorsfelde für den ehemals zum Landkreis Helmstedt, das Amtsgericht Fallersleben für den ehemals zum Kreis Gifhorn gehörenden Bereich, schließlich das fortbestehende Stadtgericht.
Überdies ist das Amtsgericht Vorsfelde dem OLG-Bezirk Braunschweig, das Fallersleber Gericht jedoch dem Celler Bezirk zugeordnet. Die überfällige Änderung erfolgte durch das Gesetz zur Neugliederung der Gerichte im Raum Wolfsburg vom 08.02.1973 (Nds. GVBl Seite 36), das die Amtsgerichte Fallersleben und Vorsfelde mit Wirkung vom 1.1.1974 aufhob und dem Amtsgericht Wolfsburg eingliederte. Gleichzeitig wird das vergrößerte Gericht aus dem Bezirk Celle gelöst und dem OLG-Bezirk Braunschweig zugeordnet.
Die Zuständigkeit des Vorsfelder Gerichtes für das Gebiet der heutigen Samtgemeinde Velpke fiel allerdings an das Amtsgericht Helmstedt. Der Bereich des ehemaligen Amtsgerichts Fallersleben blieb zunächst unangetastet.
Durch weiteres Gesetz vom 1. Mai 1974 (Nds. GVBl.S.122) erhielt das Amtsgericht Wolfsburg seine bis heute geltenden territorialen Grenzen. Die Zuständigkeit umfasst die Stadt Wolfsburg nebst den Samtgemeinden Boldecker Land und Brome. Hierdurch schmolz der Bereich des ehemaligen Amtsgerichts Fallersleben, nämlich der so genannte Hasenwinkel im südlichen Bereich erheblich zusammen: Beienrode, Klein Steimke, Ochsendorf, Rohde, Rottorf und Uhry (nunmehr Stadt Königslutter), Ahmstorf und Rennau (Samtgemeinde Grasleben) fielen an das Amtsgericht Helmstedt, Grußendorf, eigentlich zum Boldecker Land gehörig, fiel an das Amtsgericht Gifhorn.
Der örtliche Zuständigkeitsbereich war damit gleichwohl insgesamt befriedigend geregelt. Allerdings muss der Dienstbetrieb wegen der beengten räumlichen Situation in allen drei bisherigen Dienstgebäuden mit den damit verbundenen organisatorischen Erschwernissen fortgeführt werden. Viele Anläufe des damaligen Direktors des Amtsgerichts, Rochus Stobbe, mit Kommunalpolitikern und Justizverwaltung einen Konsens über den Neubau eines vergrößerten Gerichtsgebäudes herbei zu führen, scheitern. Schließlich kommt es im September 1982 doch noch zu einer Einigung von Vertretern der Stadt und der Landesjustizverwaltung über einen Neubau an der Rothenfelder Straße. Am 6. November 1985 erfolgt die Grundsteinlegung, am 1. Juni 1987 wird der Dienstbetrieb im neuen Gebäude aufgenommen. Die aufgelassenen Dienstgebäude übernahm die Stadt Wolfsburg.
Das Amtsgericht Wolfsburg ist im Verlaufe der stürmischen Entwicklung der Stadt im Laufe der letzten Jahrzehnte zum heute drittgrößten Gericht des Oberlandesgerichtsbezirks Braunschweig heran gewachsen.
Klaus Lünzner, ehem. stellv. Direktor des Amtsgerichts